Vortrag an der Beijing Foreign Studies University: „Eine dialogische Betrachtung von Sprache im Gebrauch“

Am 30. September 2025 hielt Prof. Dr. Susanne Günthner auf Einladung der Deutschen Fakultät der Beijing Foreign Studies University (BFSU) einen Online-Vortrag zum Thema „Eine dialogische Betrachtung von Sprache im Gebrauch: Ebenen der Dialogizität in der Alltagskommunikation“. Moderiert wurde die Veranstaltung von Assoc. Prof. Dr. LI Jing aus der Abteilung der Sprachwissenschaft der Deutschen Fakultät.

Zu Beginn ihres Vortrags führte Prof. Günthner in die zentralen Konzepte Dialog und Dialogizität ein. Sie erläuterte, dass unter Dialog im prototypischen Sinnsprachliche Interaktionen bezeichnet werden, die in einer konkreten Face-to-face-Situation auf der Grundlage von Sprache (oder anderer verfestigter kommunikativer Muster) zwischen zwei oder mehr Beteiligten stattfinden. Dialogizität hingegen beschreibt die grundlegende Fähigkeit von Individuen oder Gruppen, im Austausch mit anderen AkteurInnen sowie mit ihrer Umwelt Bedeutungen zu erschließen; bzw. eine theoretisch fundierte Perspektive auf intersubjektiv-ausgerichtetes kommunikatives Miteinander. Darauf aufbauend skizzierte sie die Entwicklung der Dialogischen Linguistik und betonte, dass Sprache kein isoliertes oder statisches System ist, sondern sich im tatsächlichen Gebrauch entfaltet und Bedeutung erst im situativen Aufeinander-Einstimmen der Beteiligten ko-konstruiert wird.

Anschließend veranschaulichte Prof. Günthner anhand von Datenausschnitten aus dem „Forschungslabor Gesprochene Sprache der Universität Münster, wie Dialogizität in der Alltagskommunikation auf drei Ebenen sichtbar wird: in kommunikativen Gattungen, in der Syntax und in der Prosodie. Auf der Ebene der kommunikativen Gattungen zeigte sie, wie Äußerungen in bestimmten Gattungen bzw. sozialen Interaktionsformen gemeinsam hervorgebracht werden. Auf syntaktischer Ebene erläuterte sie, wie grammatische Strukturen im Verlauf der Interaktion (kollaborativ) fortgeführt, ergänzt oder erweitert werden. Auf prosodischer Ebene hob sie die Rolle von Intonation, Rhythmus und Pausen sowohl für die interaktive Koordination als auch speziell für das Erkennen von Gesprächsbeendigungen hervor.

In der anschließenden Diskussionsrunde wandte sich Prof. Günthner dialogischen Praktiken im universitären Alltag zu. Anhand von Datenausschnitten aus deutschen und chinesischen Sprechstundengesprächen diskutierte sie zusammen mit den Teilnehmenden sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede in Anredepraktiken sowie in Formeln der Gesprächsbeendigung (in deutschen und chinesischen universitären Sprechstunden). Abschließend betonte sie, dass die Dialogische Linguistik die dynamische Aushandlung von Bedeutung im Verlauf der Interaktion in den Mittelpunkt stellt und dass die Koordination der Gesprächsbeteiligten auf verschiedenen Ebenen dabei eine zentrale Rolle spielt.

Im Schlusswort bedankte sich Assoc. Prof. Dr. LI Jing herzlich für den informativen und inspirierenden Vortrag von Prof. Günthner.

(Der Bericht erschien ursprünglich auf Chinesisch auf dem offiziellen WeChat-Konto der Deutschen Fakultät der BFSU und wurde von FANG Zixi verfasst. Der Link zum Originaltext lautet: https://mp.weixin.qq.com/s/ZXtYmrh7ATtq9Kp-ofgkIQ. Die deutsche Übersetzung wurde von ZHAO Jie angefertigt.)

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Forschungsgruppe Pronomen - Teilprojekt 1